Unter dem Begriff Masking wird verstanden, dass Symptome und/oder Verhaltensweisen, die von anderen als „störend“ bezeichnet werden, ...
... unterdrückt werden, um nicht aufzufallen, also ein „normales“, „funktionierendes“, angepasstes Verhalten zu zeigen.
Kann Masking bewusst gelernt werden?
Werden Kindern Verhaltensweisen gezeigt (oder von ihnen verlangt), die weit weg vom eigentlichen inneren Handlungsimpuls liegen, lernen Kinder, welche Handlungen als passend erachtet werden, und zeigen diese, in der aktuellen Situation. Sie haben dann gelernt, eine Maske aufzusetzen.
Mitunter bekommen die Kinder zusätzlich die Rückmeldung, dass ihr Verhalten und auch ihre zugrundeliegenden Gefühle und Bedürfnisse unerwünscht sind.
Manche Kinder kommen dann selbständig zu dem Schluss, dass sie „falsch“ sind und maskieren ihre Gefühle und Bedürfnisse und die daraus resultierenden Handlungen und Verhaltensweisen. Sie suchen dann nach den „richtigen“ Verhaltensweisen, die sie durch Beobachtung generieren.
Andere bekommen diese Rückmeldung (permanent) von außen.
(Es gibt natürlich auch Kinder, die nicht maskieren und deutlich anzeigen, dass das Verhalten, was von ihnen erwartet wird, zu weit weg von den eigenen inneren Handlungsimpulsen liegt.)
Wo liegt der Unterschied zur Impulskontrolle?
Kinder, die dabei begleitet werden, ihre inneren Handlungsimpulse bewusst wahrzunehmen und zu lenken, bauen die Fähigkeit zur Impulskontrolle auf.
Hierbei werden die Kinder (im besten Falle) jedoch so begleitet, dass der Ursprungshandlungsimpuls mitbedacht wird und dem Kind eine Handlungsalternative angeboten wird, die nah am Ursprungshandlungsimpuls liegt und gesellschaftlich akzeptiert ist.
Das Kind erlebt dabei: „Ich, meine Gefühle und Bedürfnisse sind richtig und so kann ich sie zum Ausdruck bringen.“
Was ist das „Schlimme“ am Masking?
Masking kostet die Person sehr viel psychische Energie, weil die gezeigten Verhaltensweisen nichts mit den inneren Impulsen zu tun haben. Verhalten wird dann mit Willensstärke gezeigt. Zusätzlich müssen die eigenen inneren Handlungsimpulse noch unterdrückt oder umdefiniert werden. Das braucht nochmals Zeit und Energie.
Menschen, die sich maskieren, sind schneller erschöpft und oftmals begleitet sie eine Angst, dass sie als Hochstapler oder Person, die „eine Show abzieht“, oder einfach als unecht wahrgenommen werden.
Sie fühlen sich selbst oft „falsch“, weil das, was sie innerlich spüren, nichts mit dem zu tun hat, wie sie sich äußerlich geben.
Menschen, die sich maskieren, fallen in der Regel nicht auf und es kann somit auch nicht auffallen, dass sie sich schwertun. Zugang zu Hilfe und Entlastung ist somit verbaut und/oder nur schwer möglich.
Hier einige Beispiel für Masking-Strategien:
(diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)
* Gesichtsausdrücke werden „kopiert“ oder nachgeahmt.
* Gefühle werden unterdrückt oder umgedeutet.
* Blickkontakt wird hergestellt, obwohl er in der Situation als unangenehm erlebt wird.
* Verhalten und einzelne Gesten werden nachgeahmt, ohne inneren Handlungsimpuls dazu.
* Witze, einzelne Sätze oder sogar ganze Gespräche werden einstudiert, also vor der Situation geübt (laut oder innerlich).
* Stress, der nicht nach außen gezeigt werden darf, wird nach innen verlagert.
* …
Wie Masking vorbeugen?
Besonders die ersten Lebensjahre sind ausschlaggebend, um mit dem Kind gemeinsam Strategien zu entwickeln, mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen umzugehen. Das beugt Masking vor und unterstützt die Kinder in den Entwicklungsaufgaben, die bei jedem Kind in dieser Zeit anstehen. Ohne die Begleitung von erwachsenen Bezugspersonen geht das nicht. Und es liegt in der Verantwortung der Erwachsenen, die Kinder durch z.B. Ko-Regulation dabei zu begleiten.
Impulskontrolle, Bedürfnis- und Belohnungsaufschub lernen statt Masking
Wird jedes Kind so angenommen, wie es ist, und all seine Gefühle und Bedürfnisse akzeptiert und bejaht, ist das eine gute Grundlage.
Wenn ein Gefühl oder Bedürfnis das ist, dann ist es da.
Mit dem Kind kann dann daran gearbeitet werden, wie das Gefühl, das Bedürfnis oder der Wunsch angemessen ausgedrückt werden kann. So können Kinder, egal ob neuronormativ oder neurodivergent, lernen, mit ihren Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen klar zu kommen und passende Verhaltensweisen zu zeigen, ohne sich zu maskieren.
Am Ende des Lernprozesses kann das Kind dann über die Fähigkeiten Impulskontrolle, Bedürfnisaufschub und Belohnungsaufschub, verfügen. Das dauert jedoch in der Regel auch bei neurotypischen Kindern mehrere Jahre. Es ist also wochtig dran zu bleiben.
Die entwicklungsförderliche Begleitung von allen Kindern ist mir ein großes Anliegen. Über die Jahre habe ich mich viel mit der Begleitung von Kindern beschäftigt, die Erwachsene oft vor Herausforderungen stellen.
Maskierende Kinder fallen im Alltag selten auf, weil sie gelernt haben zu „funktionieren“. Das erschwert es Bezugspersonen, diese Kinder in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Es sind oftmals auch die Kinder, die „durchs Raster fallen“, weil sie sich so angepasst verhalten. Vieles erscheint uns Erwachsenen deshalb bei diesen Kindern „leicht“. Für die Kinder ist es oft sehr harte Arbeit, die sie auch noch alleine bewältigen.
Es lohnt sich also besonders der Blick auf die Kinder, die im Alltag „funktionieren“.
Falls ich Sie mit meinen Gedanken schon inspirieren konnte, freut es mich sehr. Wenn Sie sich mehr Austausch und Dialog zu diesem Thema wünschen, freue ich mich, von Ihnen zu hören/lesen.
Herzlichst
Ihre Kerstin Müller 😊