In einer Gesprächsrunde rund um das Schutzkonzept kam neulich die Frage auf: Gibt es Gaslighting auch aus Versehen? In der Kita?
Schauen wir uns erst einmal an, was Gaslighting ist.

Was ist Gaslighting?
Gaslighting ist ein bewusstes Manipulieren bzw. Absprechen der Wahrnehmung des Gegenübers mit dem Ziel, diese Person zu verunsichern und von sich (emotional) abhängig zu machen.
Im Laufe des Prozesses bekommt der Gaslighter (Täter) immer mehr Macht und der Gaslightee (Opfer) fängt an, an sich zu zweifeln und sich selbst nicht mehr zu vertrauen.
Das kann nur dann funktionieren, wenn zwischen beiden Personen eine Beziehung besteht, bei der das Opfer dem Täter vertraut. Wer weiterlesen möchte, findet hier mehr. (externer Link zur Seite des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales)

Gaslighting in der Erziehung?
Da ist es naheliegend zu fragen, ob Gaslighting auch in der Erziehung, z.B. in der Familie oder in der Kita passieren kann. Hier besteht ja in der Regel eine Beziehung zwischen Bezugsperson und Kind, bei der das Kind in der Regel auf die Bezugsperson angewiesen ist und ihr vertraut.
Natürlich kann Gaslighting auch in der Erziehung vorkommen. Das ist besonders fatal, da die Kinder es dann noch gar nicht anders kennen und ihren Bezugspersonen in der Regel vertrauen. Kinder, die schon früh Gaslighting erleben, haben es später im Leben besonders schwer, sich gegen weiteres Gaslighting zu wehren, da sie von klein auf gelernt haben, an sich und ihrer Wahrnehmung zu zweifeln.

Kann Gaslighting auch aus Versehen passieren?
In Diskussionen kann es schon dazu kommen, dass eine Person versucht, eine andere Person von ihrer Wahrnehmung zu überzeugen. Gerade in hitzigen Diskussionen und wenn eine enge Beziehung zwischen den Personen besteht, kann es sein, dass man mitunter über das Ziel hinausschießt und die Wahrnehmung der anderen Person abtut.
Solange grundsätzlich die Haltung besteht, andere Wahrnehmungen und Meinungen zuzulassen und auch kein gezielter Angriff auf den Selbstwert des Gegenübers stattfindet, wird in der Regel nicht von Gaslighting gesprochen. Insbesondere, wenn eine spätere Meta-Kommunikation über die Kommunikation in der vorherigen Situation stattfindet.
Bewusstes Gaslighting findet in der Regel oft sehr subtil, dauerhaft und wiederholend statt. Und besteht aus Sätzen, die wie nebenbei fallen gelassen werden, die sowohl die Wahrnehmung des Gegenübers als auch deren Selbstwert angreifen.

Gaslighting im pädagogischen Alltag in der Kita?
Natürlich kann es auch in Kitas zu Gaslighting kommen, z.B. wenn (potentielle) (Sexual-)Straftäter ihre wahren Absichten verschleiern wollen.
In der Interaktion mit Kindern ist Adultismus (Link zur Internetseite meiner Kollegin Renata Tukac) jedoch viel häufiger als Gaslighting. Adultismus ist eine Form der Altersdiskriminierung, die in der Regel in der Kindheit gelernt wird und später im Erwachsenenalter weitergegeben wird, wenn sie unreflektiert bleibt. Bei Adultismus wird die Wahrnehmung, Sichtweise und Einschätzung von Erwachsenen über die der Kinder gestellt, nur aus dem Grund, weil Erwachsene älter und stärker sind.

Kinder aus dem neurodivergenten Spektrum sind oft anfälliger für Gaslighting oder Adultismus, weil sie ankommende Reize anders wahrnehmen und verarbeiten. Sie fokussieren mitunter auf andere Aspekte oder Details. Hier gilt es besonders achtsam zu sein und die Art und Weise der Wahrnehmung der Kinder zu erkennen und gemeinsam Wege zu finden. Die pädagogische Bezugsperson ist die Fachkraft für den pädagogischen Alltag. Das Kind ist Experte für seine Wahrnehmung.

Mit der passenden Haltung Gaslighting und Adultismus vorbeugen
Hier eine kleine Liste, was in der Kita helfen kann.
(Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):
* Anerkennen und akzeptieren, dass Menschen unterschiedliche Wahrnehmungen und Sichtweisen haben
* Raum und Zeit für Austausch und Dialog einplanen
* Ko-Regulation anbieten
* eigene Handlungen ankündigen
* Mikrotransitionen (Übergänge) rechtzeitig ankündigen
* Alternativen anbieten
* kindliche Ausdrucksweisen und Kommunikationswege zulassen und angemessen darauf reagieren
* entwicklungsförderliche Konfliktbegleitung unter Kindern anbieten
* Partizipation leben (im Team und mit Kindern und Eltern)
* Beschwerden von Kindern und Eltern zulassen
* Pädagogik der Vielfalt leben
* Selbstreflexion des aktuellen Verhaltens
* die eigene Kindheit reflektieren (Biografiearbeit: Wie wurde ich erzogen? Welche Sätze habe ich in meiner Kindheit gehört? Wie ging es mir damit?)
* eine Situation nachbesprechen, wenn doch aus Versehen (z.B. im Stress) die Wahrnehmungen der Kinder abgetan wurden.
* eine fehlerfreundliche Kultur leben
* sich entschuldigen können
* …

Aus Sicht des Schutzkonzeptes macht es auf jeden Fall Sinn, sich mit Adultismus und Gaslighting auseinanderzusetzen und Standards für die Kita festzulegen.
Melden Sie sich gerne, wenn Sie hierbei Begleitung wünschen.

Herzlichst

Ihre Kerstin Müller 😊