oder: „Was haben Gummibänder mit Beziehungen und der Eingewöhnung zu tun?“
Kinder brauchen tragfähige Beziehungen, um sich sicher zu fühlen und nachhaltig zu lernen.
Eine Methode, die das aus meiner Sicht sehr anschaulicht verdeutlicht, ist die Gummibandmethode.
Diese Methode habe ich entwickelt, um den Unterschied in den Beziehungen von Kindern zu unterschiedlichen Bezugspersonen zu veranschaulichen. Daneben lassen sich noch weitere Prozesse erdeutlichen, die in Beziehungen von Kindern zu Bezugspersoen stattfinden.
Wie geht die Methode?
Es wird ein dickes Gummiband (im Foto blau) um Zeigefinger und Daumen einer Hand gelegt.
Der Zeigefinger steht für die Bezugsperson in der Familie (Primärbezugsperson: Mutter/Vater/Oma…)
Daumen ist das Kind.
Bewegt sich das Kind von der Bezugsperson weg, entsteht ein Zug auf dem Gummiband, beide (Kind und Bezugsperson) spüren den Zug.
Bei intaktem Gummiband bewegt sich das Kind in der Regel nur so weit von der Bezugsperson weg, wie es den Zug des Gumminbandes noch aushalten kann.
Es sammelt neue Eindrücke in der Welt und kommt dann zur Bezugsperson zurück, um die neuen Erfahrungen zu teilen.
Kommt die Bezugsperson dem Kind jedoch sofort hinterher und das Gummiband verliert diesen Zug wieder, verliert das natürliche Gummiband seine Funktion und das Kind kennt sich mit dem „Spiel von Anspannung und Entspannung“ des Gummibandes nicht aus.
Warum ist das Gummiband für die Eingewöhung wichtig?
Kinder, die vielfältige Erfahrungen mit dem Gummiband gesammelt haben, wissen in der Regel, dass ihre Primärbezugsperson für sie da ist und sie auch immer wieder zurückkommen können, um Freude zu teilen, Ko-Regulation einzufordern oder kurz „aufzutanken“. In den Momenten ist das Gummiband wieder entspannt.
Das Kind kann dann vertrauensvoll neue Erfahrungen sammeln, auch in neuen Umgebungen, und weiß, dass es durch die Verbindung getragen ist.
Wie geht die Methode weiter?
Neben dem dicken Gummiband (im Foto blau) vom Zeigefinger (Primärbezugsperson) zum Daumen (Kind) kommt nun ein dünneres Gummiband von Daumen (Kind) zum kleinen Finger (sekundäre Bezugsperson) (im Foto rot) hinzu.
Das Gummiband zur sekundären Bezugsperson ersetzt nie das Gummiband zur Primärbezugsperson und es hat immer eine andere Qualität. Im Modell ist dieses Gummiband dünner, als zur Primärbezugsperson.
Neue Verbindungen zu Bezugspersonen in der Kita-aufbauen
Um in der Kita sicher betreut werden zu können, braucht das Kind auch ein Gummiband zu einer bzw. mehreren Bezugspersonen in der Kita (sekundäre Bezugspersonen) (im Foto rot). Dieses Gummiband ist dünner und hat in der Regel eine andere Farbe. Die Funktion ist jedoch die Gleiche. Durch das Gummiband zu den sekundären Bezugspersonen kann das Kind den Kita-Alltag bewältigen. So kann das Kind sich auch in der Kita sicher und getragen fühlen und voll Vertrauen losziehen, um neue Erfahrungen zu sammeln. Es fühlt dann, dass es zu den sekundären Bezugspersonen zurückkommen kann, um Freude zu teilen, Ko-Regulation einzufordern oder kurz „aufzutanken“.
Der Trennungsversuch in der Eingewöhnung
Ist ein erstes Gummiband zur sekundären Bezugsperson entstanden, dann wird in der Regel ein Trennungsversuch gestartet. Hierbei wird geschaut, ob die neue Beziehung zur neuen sekundären Bezugsperson schon so tragfähig ist, dass das Kind sicher betreut werden kann.
Hierzu ist es wichtig, dass sich die Primärbezugsperson vom Kind verabschiedet und dann den Raum verlässt. Das dicke Gummiband gerät so unter Zug. Dies können Kind und Primärbezugsperson beide spüren. Dann setzt in der Regel auch der Trennungsschmerz ein, wenn das Gummiband „zurückschnalzt“und die primäre Bezugsperson aktuell nicht mehr erreichbar ist.
Jetzt zeigt sich, ob das neue Gummiband zwischen Kind und sekundärer Bezugsperson schon so tragfähig ist und das Kind sich kurzzeitig beruhigen lässt.
Das dritte Gummiband
Auch zwischen Primärbezugsperson und sekundärer Bezugsperson braucht es eine Beziehung (im Foto grün), um sich gegenseitig zu vertrauen und auch Informationen auszutauschen, die für die Betreuung des Kindes in der Kita wichtig sind.
Wann die Gummibänder einsetzen?
Ich setze die Gummibänder gerne ein, um zu veranschaulichen,
* wo der Unterschied in der Beziehung zur Primärbezugsperson und sekundären Bezugspersonen liegt.
* wieso die erste Trennung nicht nach Kalendertagen, sondern gesammelten Erfahrungen des Kindes erfolgen sollte.
* wieso es wichtig ist, nach dem Ankündigen der Trennung auch wirklich den Raum zu verlassen und nicht mehrfach zurückzukommen, das Gummiband unter Zug zu setzen, vielleicht schon den Trennungsschmerz durch das Zurückschnalzen auszulösen.
* zum Beziehungsaufbau allgemein.
* Sorgen und Ängste von Eltern in Verbindung mit der Betreuung in der Kita zu besprechen
* u.v.m.
Die Methode ist insgesamt ein bisschen komplexer. Hier habe ich Ihnen die ersten und wichtigsten Schritte dargestellt.
Wenn Sie mögen, können wir auch gemeinsam tiefer in die Methode eintauchen, z.B. in einer Inhouse-Fortbildung und/oder sie mit anderen Methoden kombinieren.
Noch eine kleine Bitte:
Gehen Sie respektvoll mit der Methode um. Natürlich können Sie diese Methode auch für Ihre Situation weiterdenken. Falls Sie sie in ihre Konzeption oder andere schriftliche Dokumente, z.B. dem Qualitätshandbuch Ihrer Kita übernehmen wollen, geben Sie bitte diesen Artikel als Quelle an. Falls Sie ein Fotoprotokoll von mir haben, in dem die Methode dargestellt ist, können Sie auch dieses als Quelle angeben.
Die gleiche Bitte gilt natürlich auch an meine Kolleg*innen im Fortbildungsbereich.
Vielen Dank
Herzlichst
Ihre Kerstin Müller 😊