Wer mit Kindern zusammen arbeitet oder lebt, hört früher oder später den Satz: „Mir ist langweilig.“
Was kann es bedeuten, wenn Kinder sagen, dass ihnen langweilig ist? Und welche Begleitung kann entwicklungsförderlich wirken?

Langeweile zu empfinden bedeutet in der Regel: „Ich möchte mich mit etwas Sinnvollem beschäftigen, ich kann gerade aber nicht.“

Es macht Sinn, zwei unterschiedliche Arten von Langeweile getrennt voneinander zu betrachten.

Langeweile kann einerseits entstehen, wenn das Kind sich mit etwas beschäftigen soll, was andere Personen ihm aufgetragen haben, was es selbst gar nicht interessiert. Diese Langeweile kennen die allermeisten Personen aus der eigenen Schulzeit. Da war der eine Lehrer, bei dem der Unterricht langweilig war oder das eine Fach oder …

Dann heißt es „Augen zu und durch“ und die Aufgabe erledigen oder durchhalten, bis die Zeit (Schulstunde) vorbei ist.

Solch eine Langeweile kann zu kreativem Potenzial führen, in dem überlegt wird: „Was kann ich nebenher machen, damit die Zeit schneller rum geht.“ Oder: „Wie kann ich die Zeit nutzen, damit ich sie trotzdem halbwegs sinnvoll nutzen kann?“

Äußern Kinder Langeweile beim Morgenkreis oder bei anderen Gruppenaktivitäten, kann es sehr hilfreich sein, wenn die Aktivität reflektiert und an die Bedürfnisse der Kinder angepasst wird bzw. Alternativen zur Verfügung stehen.

Auch im Freispiel kann eine vorbereitete Umgebung, die an die Bedürfnisse der Kinder angepasst ist, gute Dienste leisten.

Andererseits kann ein „Mir ist langweilig. Ich weiß nicht was ich tun soll“, auch bedeuten, dass das Kind unreguliert ist, sich gerne mit etwas beschäftigen möchte, was es erfüllt, dies aber nicht kann, weil es im Ungleichgewicht ist, also ein großes Kuddelmuddel hat.

Dann ist es wichtig und hilfreich, wenn Kinder Hilfestellung bei der Regulation, also Ko-Regulation angeboten bekommen, damit sie wieder in ihre Mitte finden. So können die Kinder in der Regel von selbst in eine für sie erfüllende Beschäftigung finden, natürlich so lange für sie interessante Spielmaterialen oder Spieloptionen angeboten werden.

Von den Kindern zu verlangen, Langeweile einfach nur auszuhalten, greift zu kurz. Kinder, die in einem unregulierten Zustand alleine gelassen werden, lernen in der Regel nicht von selbst sich zu regulieren. Nur über Ko-Regulation lernen die Kinder mit der Zeit und durch Übung, was sie tun können und kommen dann in die Selbstregulation.

Auch die beliebte Aufzählung, z.B. im Freispiel, wenn ein Kind sagt, dass ihm langweilig ist: „Du kannst… spielen oder … machen oder….“ führt meist nicht zum Ziel.
In der Regel wissen die Kinder, was sie alles spielen könnten. Nur geht das nicht, wenn sie unreguliert sind.

Aber manchmal funktioniert es ja doch, dass ein Kind nach einer langen Aufzählung eine Idee der Bezugsperson aufnimmt und das dann tut? Was ist dann?
Dann ist es meist so, dass die Bezugsperson ihre Aufmerksamkeit dem einen Kind länger gewidmet hat und es die Nähe der Bezugsperson erlebt hat. Über die Interkation, die nebenher abgelaufen ist, konnten sich unerfüllte Bedürfnisse (z.B. nach Aufmerksamkeit, Nähe oder persönlicher Ansprache) regulieren.

In solchen Situationen lohnt es sich auch zu überlegen: Kann das Kind eigene Handlungsimpulse wahrnehmen und in Handlung umsetzen? Oder ist das Kind gewohnt, dass es von anderen Personen Spielideen, Angebote oder Aktivitäten bekommt?

Kurzfristig würde dann eine (kurze) Aufzählung, was das Kind alles tun kann, helfen. Langfristig bräuchte das Kind Gelegenheiten und Begleitung dabei, dass das Kind seine eigenen Handlungsimpulse spürt und in Handlung umsetzt.

Kurz zusammengefasst:
Es lässt sich nicht komplett vermeiden, dass Kinder äußern, dass ihnen langweilig ist. Das sollte auch nicht das Ziel sein.
Es kann einerseits bedeuten, dass Angebote oder Aktivitäten an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder vorbeigeplant sind und sie diese aktuell nicht interessieren.
Andererseits kann es bedeuten, dass Kinder unreguliert sind und dies spüren. Dann bedeutet: „Mit ist langweilig“ „Ich habe ein großes Kuddelmuddel im Bauch und kann es alleine (noch) nicht regulieren.“

Und drittens können Kinder damit anzeigen, dass sie bislang noch keine Lerngelegenheiten hatten, sich selbst und ihre Handlungsimpulse zu spüren und in Handlung umzusetzen, sondern ihnen bisher von Erwachsenen nur gesagt wurde, was sie tun können oder gar sollen. (Hier ist dann die Begleitung gleichzeitig auch aus dem präventiven Aspekt zu sehen --> Schutzkonzept)
Ich freue mich, wenn ich Sie mit meinen Gedanken inspirieren konnte.
Falls sie sich näher mit dem Thema Langeweile beschäftigen möchten, dann melden Sie sich gerne bei mir.

Herzlichst
Ihre Kerstin Müller 😊