Nachdem die Maskenpflicht im Frühjahr 2020 in Kraft getreten ist, ist die Maske zum alltäglichen Begleiter für Einkäufe oder Interaktionen, bei denen der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann, geworden. Verantwortungsbewusste Erwachsene tragen sie wie selbstverständlich und auch schon ältere Kinder und Jugendliche tragen Masken im Alltag.

Wie aber wirkt sich die Maskenpflicht auf die Kinder im Kita-Alter – besonders im Krippenalter – aus?

 

An dieser Stelle teile ich gerne meine Eindrücke und Erfahrungen zu Masken und Kindern, die ich seit Frühjahr 2020 sammeln konnte. Natürlich sind es meine subjektiven Wahrnehmungen und Eindrücke, die ich mit anderen Fachleuten im Austausch reflektiert habe. Noch habe ich keine Studie dazu gefunden, aber dazu ist die Zeit auch noch viel zu kurz.

Kinder im Kita-Alter befinden sich in sensiblen Entwicklungsphasen. Viele Erwachsene machen sich daher Sorgen, wie sich die Maskenpflicht auf die Entwicklung der Kinder auswirkt. Gerade die sozial-emotionale Entwicklung und die Sprachentwicklung rücken in den Vordergrund.

Seit die Maskenpflicht besteht, teste ich bei jedem Einkauf, bei jeder Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und wann immer sich die Gelegenheit ergibt, wie Menschen auf ein Lächeln hinter der Maske reagieren.

Interessanterweise habe ich schnell gemerkt, dass insbesondere die jüngeren Kinder sehr interessiert schauen, wenn ich sie hinter der Maske anlächele und selbst anfangen zu lächeln. Eine Beobachtung, die mich sehr überrascht hat, da ich davon ausgegangen bin, dass die Kinder das ganze Gesicht brauchen, um Emotionen ablesen zu können.

In der Kombination mit der Annahme, dass das kindliche Gehirn darauf ausgelegt ist, viele Eindrücke zu sammeln, zu verarbeiten und somit ein Bild von der Außenwelt zu erstellen – also kurz gesagt, Autobahnen zu bauen. Hat mich dies zu folgenden Thesen inspiriert:
* Kinder nehmen die Welt so, wie sie ist, und integrieren alle Erfahrungen.
* Kinder beobachten sehr genau und intensiv, vielleicht sogar noch intensiver, wenn nur die Augen zu sehen sind.
* Kinder können auch aus dem bisschen Gesicht, das die Maske frei lässt, Emotionen ablesen und spiegeln.

Aufgrund dieser Beobachtungen und den Erfahrungen, die mir andere Fachleute und Kolleg*innen rückgemeldet haben, komme ich zu der Annahme, dass das Tragen von Alltagsmasken für Kinder bereits zum „ganz normalen“ Leben dazugehört. Kinder „wissen“ mitunter auch intuitiv, wann Erwachsene Masken aufsetzen und wann nicht.

Um Kinder auch mit Masken effektiv in ihrer Entwicklung zu begleiten, gilt es allerdings einige Dinge zu beachten. Das ist insbesondere für Eltern wichtig, da Eltern mehr Zeit mit Maske mit ihren Kindern verbringen, als pädagogisches Personal.

* Lassen Sie den Kindern mehr Zeit zum Beobachten. Für das Lesen aus dem Teilstück des Gesichts, das beim Tragen der Maske frei bleibt, brauchen die Kinder ein bisschen mehr Zeit. Wir bewegen uns hier im Bereich von Sekunden oder Millisekunden. Trotzdem kann es hilfreich sein, die Interaktionen etwas zu verlangsamen, um den Kindern diese Zeit zum Beobachten zu geben.

* Bieten Sie dem Kind bewusst Blickkontakt für den rückversichernden Kontakt an. Das ist besonders in der Eingewöhnung wichtig. Informieren Sie die Eltern im Gespräch vor der Eingewöhnung darüber, insbesondere wenn die Eltern in der Eingewöhnung im Gruppenraum Maske tragen (müssen).

* Versprachlichen Sie, was das Kind sieht, wenn Sie sehen, dass das Kind zu einer erwachsenen Person mit Maske schaut. Z.B. in der Eingewöhnung, wenn eine Eingewöhnungsmama** mit Maske dasitzt: „Da sitzt die Mama vom Tom. Die beiden sind zur Eingewöhnung da. Jetzt lächelt sie dich an. Ich sehe es an ihren Augen.“

* Neue Menschen kennen zu lernen, die eine Maske aufhaben, ist schwieriger. In Gesprächen mit Eltern, wenn der Mindestabstand von 1,5 Meter nicht eingehalten werden kann, werden in der Regel Masken getragen. Meistens ist das Eingewöhnungskind da auch mit dabei. Nutzen Sie die Möglichkeit, dem Eingewöhnungskind kurz Ihr Gesicht zu zeigen, natürlich in Rücksprache mit den Eltern, ob es ok ist, kurz die Maske abzunehmen, damit das Kind Ihr komplettes Gesicht sehen kann. Versprachlichen Sie Ihr Vorgehen, z.B.: „Ich nehme kurz meine Maske runter, dann kannst du mein Gesicht sehen. Schau, so sehe ich aus. Jetzt setzte ich meine Maske wieder auf.“

* In der Regel trägt pädagogisches Personal im Gruppenalltag keine Maske, um die Kinder effektiver begleiten zu können. Blickkontakt (für rückversichernden Blick) und sprachliche Begleitung rücken in den Vordergrund. Dies gilt insbesondere für die Eingewöhnung.

* Sowohl für die Eingewöhnung, als auch für den Gruppenalltag gilt: Wenn sich Kinder in emotional hochgefahrenen Situationen befinden und Ko-Regulation benötigen, brauchen sie das ganze Gesicht der Bezugsperson, um daraus zu lesen. Bei der Ko-Regulation wirken viele Faktoren zusammen, u.a. Nähe, Körperkontakt, beruhigende Stimme und auch der passende Gesichtsausdruck, der das Gefühl des Kindes spiegelt und dann in Entspannung überführt. Dies sollte gerade für Kinder im Krippenalter jederzeit möglich sein, auch in der Eingewöhnung wie auch in der Interaktion mit der Primärbezugsperson.

Auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Emotionen wirkt sich das Tragen einer Maske weniger aus, wenn die Kinder sprachlich begleitet werden und regelmäßig bewusst Blickkontakt für den rückversichernden Blick angeboten wird.

Allerdings gibt es auch noch den Punkt der Sprachentwicklung. Kinder im Kita-Alter befinden sich in der Sprachentwicklungsphase. Hierfür ist es sehr wichtig, dass die Kinder auch den Mund der sprechenden Person sehen, um auch die Mundmotorik, die zum gesprochenen Wort gehört wahrnehmen zu können.

Im Kita-Alltag funktioniert eine entwicklungsförderliche Begleitung der Kinder ohne Maske effektiver. Allerdings haben die Kinder auch Strategien entwickelt, wie sie aus Gesichtern mit Maske Informationen ablesen können.

Wenn das Interesse der Kinder da ist, dann starten Sie doch einfach mal ein Projekt, z.B. können Sie sich eine Maske aufsetzen und die Kinder raten, welche Emotion sie gerade zeigen (Freude, Traurigkeit, Wut, Angst…). Oder Sie lassen die Kinder Fotos von ihren Gesichtern einmal mit und ohne Maske, beides Mal, mit Emotionsausdruck machen. Dann haben Sie ein Gefühls-Memory.

Mir haben meine Alltagsbeobachtungen von Kindern in der aktuellen Zeit einmal wieder gezeigt, wie kompetent Kinder sind und was sie alles können, wenn wir es ihnen zumuten und auch zutrauen. Und wir Erwachsene auch unsere eigenen Erfahrungsautobahnen verlassen.

Auch wenn diese Zeiten uns alle dazu bringen vieles neu zu denken, zu überdenken und Dinge anders als gewohnt zu machen, hier liegen auch viele Schätze verborgen.

Ich wünsche uns allen, dass wir es nie aus dem Blick verlieren, wie kompetent Kinder sind.

Herzliche Grüße und viel Freude beim Beobachten und Entdecken
Ihre Kerstin Müller

 

** Das gleiche gilt natürlich, wenn der Papa die Eingewöhnung übernimmt oder die Oma oder…